Ich will mal darüber nachdenken, ob es stimmt, dass ADHS durch ein angeborenes Ungleichgewicht oder eine Unreife des kindlichen Gehirns verursacht wird. Denn genau dies wird von vielen Medizinern behauptet. Durch moderne Diagnoseverfahren kann man heute leicht feststellen, dass bestimmte Nervenbahnen im Gehirn von Kindern mit Aufmerksamkeitsstörung (ADHS) tatsächlich langsamer heranreifen. Die langsamere Gehirnentwicklung ist für viele Mediziner eine der Hauptursachen für ADHS. Aber erklärt sich dadurch, warum die Anzahl an ADHS-Diagnosen immer weiter steigt?
Gehirne von Kindern mit ADHS sehen anders aus
In einer Studie des amerikanischen Psychiaters Chandra Sripada wurden Hirn-Scans von 275 Kindern und Jugendlichen mit ADHS mit den Hirn-Scans von 481 gesunden Kindern verglichen. Die Studie zeigte eindeutig, dass die neuronalen Netzwerke, die für die Bereiche zuständig waren, in denen die Kinder einen Entwicklungsrückstand hatten, anders aussahen als die der „normalen“ Kinder. Daraus folgerte Chandra Sripada: „Vielleicht gibt es ja so etwas wie eine neuronale Signatur, eine Art Biomarker für die Krankheit.“
Aber: In der Studie wurde nicht erwähnt, ob die untersuchten Kinder, Ritalin einnahmen. Denn Ritalin könnte die neuronale Struktur des Gehirns verändern. Dazu gibt die Studie keine Antwort auf die alte Frage: Was war zuerst? Die Henne oder das Ei? Wir können also nicht sagen, ob die Gehirne bei ADHS von Geburt an anders strukturiert sind oder ob die Umwelt diese Veränderungen bewirken.
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Sensible Kinder scheitern an der Schnelllebigkeit unserer Gesellschaft
Unsere Welt ist immer schnelllebiger, und schon von Kindern wird erwartet, dass sie funktionieren. Die Terminkalender sind randvoll, Zeitdruck ist Normalzustand, und dazu kommt der Leistungsdruck in der Schule. Nicht nur Erwachsene, auch die Kinder müssen sich anpassen an rasante Veränderungen in der Gesellschaft; was eben noch top aktuell war, ist heute Schnee von gestern. Zoom-Konferenzen und das Arbeiten am Laptop prägen für Schulkinder ab der ersten Klasse spätestens seit Corona den Schulalltag. Nicht alle werden dabei durch Lehrer und ihre Eltern unterstützt. Manche kommen nicht mit und scheitern. Aber nicht nur Kinder mit ADHS kommen durch die erhöhten Anforderungen an ihre Grenzen. Sensible Kinder können zerbrechen am Übermaß an Terminen, Erwartungen und Verhaltensregeln.
Was benötigen Kinder wirklich für eine gesunde Entwicklung?
Für eine gesunde Entwicklung brauchen Kinder nichts so sehr wie Freiräume und mit anderen Menschen verbrachte Zeit: Zeit, in der Kinder sich gemeinsam erproben, Neigungen entdecken, Fähigkeiten einüben oder einfach nur träumen können. Dass es immer weniger von diesen Freiräumen bei zunehmendem Leistungsdruck gibt, trägt dazu bei, dass immer mehr Kinder auffällig werden. Dies kann sich durch unangepasstes Sozialverhalten, Schwierigkeiten beim Lernen und auch durch körperliche Symptome zeigen. Um dem Kind zu helfen und es wieder auf die Spur zu bringen, kommt die Diagnose ADHS ins Spiel. Heute wird ADHS 40-mal so oft diagnostiziert wie noch vor 30 Jahren!
Verbringen wir Eltern heute zu wenig Zeit mit unseren Kindern?
Wenn ich an meine Familie denke und auch an die Eltern, die zu mir ins Coaching kommen, stelle ich fest, dass unsere Tage streng durchgetaktet sind. Der Zeitdruck beginnt schon morgens, wenn wir die Kleinen antreiben, damit sie pünktlich zur Schule oder in den Kindergarten kommen und wir rechtzeitig bei unserer Arbeit sind. Ganz oft gibt es schon früh morgens den ersten Streit, weil der Nachwuchs nicht so will wie wir. Die Kinder spüren unsere innere Unruhe natürlich und machen dicht oder verweigern sich. Kein guter Start in den Tag. Am Nachmittag müssen die Hausaufgaben erledigt werden, und es stehen Termine auf dem Plan, denn wir wollen unser Kind bestmöglich fördern.
Wie wäre es, sich mehr Zeit zu nehmen?
Aber: Wäre es nicht schön, einfach mal einen oder zwei Nachmittage in der Woche ohne Programm zu verbringen? Ich bin überzeugt davon, es würde allen in der Familie richtig gut tun. Stell dir vor: Einfach zu Hause sein, entspannt auf dem Sofa in einem Buch blättern, endlich mal das Rezept für den leckeren Kuchen ausprobieren, und die Kinder spielen währenddessen im Garten oder einfach auf der Straße? Während ich das gerade schreibe, werde ich ganz wehmütig. Denn es ist als würde ich meine eigene Kindheit beschreiben. Die Hausaufgaben waren damals schnell gemacht, und dann verbrachte ich unzählige Stunden mit anderen Kindern. Was haben wir getobt, gespielt, gebastelt, experimentiert. Ohne von Erwachsenen beaufsichtigt zu werden. Hach. Warum sollte das heute eigentlich nicht mehr möglich sein? Vielleicht bietet ja gerade diese spezielle und schwierige Zeit mit Homeoffice, flexiblerer Zeiteinteilung und weniger Freizeitangeboten, die Möglichkeit zum Umdenken und zur Besinnung auf das, was wirklich zählt in der Kindheit?
Du bist bestimmt ein paar Jahre jünger als ich. Erzähl mal, wie war deine Kindheit? Das interessiert mich sehr. Schreib’s einfach in die Kommentare.
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2 Kommentare zu „Liegt die Ursache für ADHS wirklich im Gehirn?“
Hallo Heike Hahn,
der Vorschlag mit der Familienzeit als Lösung klingt simpel, ist aber sicherlich nicht immer der Knackpunkt. Unser Sohn hat diese Zeiten, er darf sie mit uns verbringen oder auch im Wohngebiet mit anderen Kindern. Zeit ein Buch zu lesen habe ich aber nie, da er immer und stets Aufmerksamkeit von uns fordert. Mit den Kindern in seinem Wohngebiet eckt er viel zu häufig an, sodass er dort immer wieder Zurückweisung erfährt. ADHS Kinder haben häufig Probleme im Sozialverhalten, was sich nicht einfach durch „weniger Programm“ oder „mehr Zeit zum Spielen“ lösen lässt. Unser Sohn kann beispielsweise nicht alleine Spielen, möchte aber immer bestimmen was gespielt wird. Andere Kinder kommen häufig nicht damit zurecht.
Hallo Anni,
danke für dass Schildern deiner Erfahrungen. Richtig, Kinder mit ADHS haben häufig Probleme mit dem Sozialverhalten. Was aber ist das Bedürfnis dahinter? Wenn sie stören, haben sie keinen echten Vorteil, aber sie gewinnen negative Aufmerksamkeit. Schimpfen, Ermahnen, andere wenden sich ab. Jedes Kind wünscht sich, 100% angenommen zu sein und positive Aufmerksamkeit.
Genau deshalb hilft es sehr, angenehme Zeiten miteinander zu verbringen. Das Kind darf bestimmen was gemacht wird, und der Elternteil widmet sich nur dem Kind. Und wenn es 20 Minuten am Tag sind. Das gibt dem Kind – und den Eltern – sehr viel.
Ich weiß, dieser wohlwollende Ansatz ist nicht leicht, wenn wir einmal im Kreislauf stecken: Kind verhält sich schlecht, wir schimpfen, und dann geht es von vorne los.
Ich wünsche mir, dass ihr dem Weg mit Zeiten für Spiel und Spaß eine Chance gebt. Probiert es eine Woche lang aus und schau, was sich verändert. Alles Liebe!