ADHS und Geschwister

Geschwister_ADHS

„Max ist 12 und Benni 9 Jahre alt. Die beiden können überhaupt nicht miteinander umgehen. Sie schlagen und beleidigen sich, wo es nur geht und lassen keine Möglichkeit aus, sich gegenseitig fertig zu machen. Sie sagen sogar, dass sie sich hassen.
Ich bin am Ende meiner Kräfte und verstehe einfach nicht, warum sie so sind.
Es vergeht kein Tag, ohne dass die zwei sich terrorisieren. Es tut mir schrecklich weh, wenn sie so miteinander umgehen.
Der 9 jährige ist jetzt in den Ferien beinahe den ganzen Tag unterwegs und kommt so spät wie möglich nach Hause, um seinem 12 jährigen Bruder bloß nicht über den Weg zu laufen.
Hinzu kommt, dass Max unter ADHS leidet. Das macht es nicht gerade einfacher.
Ich weiß einfach nicht mehr weiter und habe keine Idee, wie ich das in den Griff bekomme.“
Annika, Mama von zwei Jungs

Immer Streit unter den Geschwistern?

Die meisten Kinder sind eifersüchtig, wenn ein Geschwisterchen auf die Welt kommt. Verständlich, schließlich erhält das ältere Kind plötzlich weniger Aufmerksamkeit und Zuwendung der Eltern.
Das tut weh. Das Kind fühlt sich vernachlässigt und kämpft um die Aufmerksamkeit und Zuneigung der Eltern. Oft entwickelt das Kind negative Gefühle gegenüber dem neuen Baby. Manchmal lässt es seine Aggressionen am Baby aus und schlägt es vielleicht sogar. Das ist alles ganz normal und noch kein Grund zur Beunruhigung. Wenn die Eltern die unerfüllten Bedürfnisse es Kindes wahrnehmen und verständnisvoll reagieren, wächst sich das Problem bald aus.

Was ist aber, wenn ein Kind weiterhin sehr eifersüchtig reagiert? Sich aggressiv und feindselig gegenüber dem jüngeren Geschwister verhält? Plötzlich gefüttert oder gestillt werden möchte, vielleicht wieder in die Hose macht?
Sicher ist, dass das Kind sehr unglücklich ist und seine Not auf andere Weise nicht ausdrücken kann.

Eifersucht bei „ADHS-Kindern“

Bei „ADHS-Kindern“ ist die Eifersucht oft besonders intensiv ausgeprägt. „Wirbelwind-Kinder“ sind eigenwillig, wollen den Ton angeben und reagieren schnell impulsiv. Gleichzeitig sind sie leicht gekränkt und geraten dann schnell in einen Strudel von Emotionen, wo sie dann unbeherrscht handeln.

Kinder mit „ADHS“ benötigen eine intensive und ständige Betreuung durch die Eltern. Dadurch ist es für Eltern schwierig, noch Zeit und Energie für den Rest der Familie bzw. die übrigen Kinder aufzubringen. Also bekommt das „ADHS-Kind“ meistens den größten Teil an Aufmerksamkeit und fühlt sich trotzdem noch vernachlässigt . Die unauffälligen Geschwister laufen nebenher mit und fühlen sich auch zu wenig beachtetet. Geschwisterrivalität und Streitigkeiten zwischen den Kindern sind vorprogrammiert.

ADHS und Geschwister

Wie geht’s den Geschwisterkindern?

In einer Familie mit „ADHS-Kind“ gibt es so viele Konflikte, alles dreht sich um das „Wirbelwind-Kind“. Da kann es passieren, dass die unauffälligen, pflegeleichteren Kinder leicht in den Hintergrund geraten. Das empfinden die Kinder natürlich als ungerecht. Und gleichzeitig versuchen sie, vernünftig zu sein, um ihren Eltern nicht zusätzliche Sorgen zu bereiten.

Manchmal haben jüngere Geschwister Angst vor dem ungestümen, unberechenbaren „ADHS-Kind“, das beleidigend und körperlich aggressiv werden kann. Sie verhalten sich dann vorsichtig, um es nicht zu provozieren.

Gleichzeitig beobachten sie, dass das „ADHS-Kind“ mit seinem unangemessenen Verhalten Erfolg hat. Die Eltern nehmen sich Zeit für das Kind, obwohl oder weil! es sich danebenbenimmt.
Geschwisterkinder schließen daraus, dass auffälliges Verhalten Vorteile hat. Eigentlich ruhige und unauffällige Kinder beginnen nun, sich ebenfalls auffällig zu verhalten, um ein Stück vom Aufmerksamkeitskuchen abzubekommen.

Puh, für uns Eltern ist das super anstrengend. Erkennst du deine Familie wieder? Ist bei euch auch so?

Was können wir tun?

Damit wieder mehr Harmonie ins Familienleben einkehrt, haben sich diese Strategien bewährt:

  • Eltern-Kind-Zeit für jedes Kind
    Nimm dir jede Woche eine Stunde Zeit für jedes Kind. Das Kind darf aussuchen, wie ihr die gemeinsame Zeit miteinander verbringt. Trage dir diese wichtige Verabredung mit deinem Kind in deinen Kalender ein.
    Als alleinerziehende, berufstätige Mama hatte ich ständig das Gefühl, meinen Kinder nicht gerecht zu werden. Daher habe ich jedem meiner Kinder zu besonderen Gelegenheiten – die Konfirmation, eine Ehrenrunde am Gymnasium ;-), ein Geburtstag, ein gutes Zeugnis – eine Reise geschenkt. Nur ein Kind und ich sind zusammen verreist. Die anderen Kinder wurden in dieser Zeit von den Großeltern oder dem Papa betreut. Diese gemeinsamen Erlebnisse haben meinen Kindern und mir viel gegeben und unsere Beziehung sehr gestärkt.
  • Verständnis
    Es tut dem Geschwisterkind gut, wenn du mit ihm über belastende Situationen sprichst, die es mit seinem schwierigen Bruder oder der schwierigen Schwester erlebt. Vermittle deinem Kind, dass es nicht brav sein muss und dass es wütend, ärgerlich und schwach sein darf.
    Klar, wir sind auch nur Menschen. So kann es passieren, dass uns Sätze wie: „ Mach uns nicht auch noch Ärger, wir haben schon genug Probleme mit deinem Bruder, deiner Schwester.“ rausrutschen. Diese Sätze tun unserem Kind, das es sowieso nicht leicht hat, zusätzlich weh.
  • Keine Vergleiche zwischen den Geschwistern
    „Dein Bruder ist der Sportler in unserer Familie, dafür bist du bist die gute Schülerin.“
    Durch Vergleiche besteht die Gefahr, dass die Kinder anfangen, ihre Leistungen gegeneinander aufzurechnen und zu vergleichen. Wir wollen ja unsere Kinder lieben, unabhängig von ihren Leistungen. Vor allem möchten wir, dass sich jedes unserer Kinder geliebt fühlt, so wie es ist. Extrem wichtig für das Selbstwertgefühl.
    Zudem legen wir sie auf Rollen fest, die vielleicht nicht zu ihnen gehören: Der Sportler, die Schlaue. Wer weiß? Ganz sicher steckt noch viel mehr im Sportler und in der Schlauen.
  • Positive gemeinsame Momente würdigen und bestärken
    „Toll, dass du deiner Schwester, bei den Matheaufgaben geholfen hast. Deine Schwester kann sich freuen, dich als großen Bruder zu haben.“ Solche Sätze stärken die Bindung zwischen den Geschwistern.
  • Rückzugsorte für alle Kinder schaffen
    Wenn es in eurer Familie öfter mal turbulent und laut zugeht, Türen geknallt werden und harsche Worte fallen, ist es wichtig, dass jedes Kind einen Raum für sich hat, in den es sich zurückziehen und Ruhe finden kann. Ein eigenes Zimmer mit einem Schlüssel zum Abschließen der Tür wäre ideal. Wenn das nicht geht, teilt das Kinderzimmer durch Raumtrenner oder einen Vorhang ab.
  • Das „ADHS-Kind“ unterstützen
    Hier helfen klare Strukturen des Alltags, wirksames Kommunizieren, dem Kind beibringen, seine Emotionen zu steuern,…

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